Wer sich als Unternehmer auf die temporäre Aussetzung der Insolvenzantragspflicht von März verlassen hat, muss sich ab 1. Oktober mit neuen Rahmenbedingungen auseinandersetzen. Alle Unternehmen, die das erste Insolvenz-Kriterium der Zahlungsunfähigkeit erfüllen, d. h. Löhne, Materialien, Mieten, Steuern oder andere Zahlungsverpflichtungen nicht mehr pünktlich leisten können, sind ab dem 01. Oktober (wieder) in der Pflicht, unmittelbar Insolvenz anzumelden. Die Aussetzung allein aufgrund des zweiten Insolvenz-Kriteriums Überschuldung existiert weiter, es wird jedoch geschätzt, dass in über 90 % der Insolvenzanmeldungen nicht die Überschuldung, sondern eindeutig die Zahlungsunfähigkeit Auslöser der Insolvenz sind. Medien berichten aktuell deshalb von einer zu erwartenden Insolvenzwelle mit heftigen Ausmaßen ab dem 4. Quartal dieses Jahres.
Was genau bedeutet das für den einzelnen Unternehmer?
Die Bundesregierung hat als eine der ersten Maßnahmen zu Gunsten von Unternehmen zu Beginn der Corona-Krise eine temporäre Aussetzung der Insolvenzantragspflicht beschlossen. Voraussetzung war, dass Unternehmen vor dem Zeitpunkt der Corona-Krise, um genau zu sein vor dem 01.01.2020, in einer wirtschaftlich gesunden Situation waren, die nicht als Insolvenzreife bezeichnet werden kann. Dieses bezieht sich auf die zwei Insolvenzkriterien: Überschuldung und (drohende bzw. bestehende) Zahlungsunfähigkeit.
Zum 01. Oktober 2020 wurde die Pflicht zur Anmeldung der Insolvenz dahingehend geändert, dass nur noch hinsichtlich der Überschuldung die Aussetzung fortgesetzt wird, nämlich aktuell bis zum Ende des Jahres 2020. Eine Verlängerung dieses Moratoriums ist denkbar, aber derzeit nicht bestätigt. Üblicherweise gilt die Regel, dass innerhalb von drei Wochen Insolvenz anzumelden ist. Hierbei muss man aber beachten, dass die Drei-Wochen-Regel einerseits eine Maximalfrist darstellt (innerhalb derer man sich um eine Insolvenzvermeidung kümmern muss), andererseits jedoch die Frist schon mit dem Tag der Insolvenzreife beginnt. Und dieser Tag dürfte in den allermeisten Fällen ja schon Wochen oder Monate zurückliegen.
Die geschilderten Änderungen im Insolvenzrecht im Frühjahr wurden von der Bundesregierung erlassen, um eine coronabedingte Insolvenzwelle zu diesem Zeitpunkt zu verhindern. Eine dauerhafte Aussetzung war natürlich nicht zu erwarten. Sie haben vielleicht in den Medien den abwertenden Begriff ‚Zombie-Unternehmen‘ gelesen. Damit sind Unternehmen gemeint, die eigentlich insolvenzreif (gewesen) wären, aber durch das Moratorium weiterhin existieren durften; zum Schaden anderer Unternehmen (der Gläubiger) sowie letztlich auch der Allgemeinheit. Das Auslaufen der Zahlungsunfähigkeitsregelung war daher vorauszusehen und zwingend erforderlich. Der Zeitpunkt ist aufgrund der anhaltenden Krise natürlich ungünstig – welcher Zeitpunkt wäre allerdings günstiger?
Da in den vergangenen Monaten sehr wenige Insolvenzen im Vergleich zum Vorjahr angemeldet worden sind und gleichzeitig viele Unternehmen nachhaltig durch die Corona-Krise geschädigt wurden und werden, kann mit einer Welle an Insolvenzen gerechnet werden.
Der Unternehmer muss die Insolvenzantragspflicht unbedingt ernst nehmen, da ansonsten hohe Strafen drohen (i. d. R. den Geschäftsführern persönlich). Was dem Einzelnen verständlicherweise als Vernichtung der Existenz und des Lebenswerkes erscheint, kann durch einen Perspektivwechsel aber auch als Befreiungsschlag gesehen werden. Die Insolvenz – primär natürlich zum Schutz der Gläubiger konzipiert – kann auch ein Ausweg sein, um das Unternehmen zu entschulden und komplett neu aufzustellen, zum Beispiel in Form einer Eigenverwaltung. Eine globale Krise wie Covid-19 trifft viele Unternehmen mit voller Härte. Sie bietet aber immer auch denjenigen Unternehmenslenkern eine einmalige Chance, welche die Krise nutzen, um klug und strategisch zu restrukturieren und anschließend stärker als die Mitbewerber aus der Krise herauszukommen.